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Heißes Eisen: Steht der Denkmalschutz grundsätzlich über dem Klimaschutz?


Kräftiges Daumendrücken galt in der letzten Sitzung des grünen Ortsvorstands der Bewerbung für die Landesgartenschau 2028. Im Fall eines Erfolgs versprechen die Grünen sich einen weiteren großen Wurf in der Stadtentwicklung, der städtisches Grün, Artenvielfalt, Mobilität und Lebensstile umfasst. Ein anderes Sitzungsthema war der Klimaschutz. Hier rührten die Grünen an ein Tabu: Ist das strikte Verbot von Solaranlagen im historischen Stadtkern mit der aktuellen Rechtsprechung vereinbar?


Hochzufrieden blätterten die Vorständler in den attraktiven Bewerbungsunterlagen der Stadt und malten sich aus, wie etwa die nüchterne Bezeichnung „Rottweil am Neckar“ wieder mit allen Sinnen erlebbar werden kann. Doch bei aller Plausibilität, die ansässige Firma ThyssenKrupp ins Mobilitätskonzept einzuplanen, regten sich bei Stefan Mauch erhebliche Zweifel an dem dynamischen Fahrsteig, der vom Bahnhof an den Schrägaufzug zur Innenstadt führt. Vorstandssprecher Jörg Hügel stimmte zu: „Dieses Open-Air-Transportband ist mit zweimaligem Umsteigen zu umständlich, zu witterungsanfällig und vermutlich auch nicht barrierefrei.“ Hügel neigt nach wie vor eher zu einer Seilbahn, die den Bahnhof bei jedem Wind und Wetter zügig mit der Innenstadt verbindet. Bei einer erfolgreichen Bewerbung möchten die Grünen nachhaken und diese Alternative überprüfen. Sie vermuten, dass sie nicht nur logistisch vorteilhaft, sondern auch leichter realisierbar und kostengünstiger ist.

Zum Thema Klimaschutz zitierte Frank Sucker aus den örtlichen Bauvorschriften einen wie in Stein gemeißelten Satz: „Sonnenkollektoren oder ähnliche Anlagen sind unzulässig.“ Ist ein derart absoluter Satz angesichts der Klimakatastrophe, die bereits Inseln versinken lässt und Lebensgrundlagen in Dürregebieten zerstört, auf der Höhe der Zeit? Steht Denkmalschutz grundsätzlich über dem Klimaschutz? 

Diese Bauvorschriften für die historische Innenstadt stammen aus dem Jahr 2009. Doch bereits zwei Jahre später urteilte der Verwaltungsgerichtshof, dass wegen des in der Verfassung verankerten Klimaschutzes Beeinträchtigungen eines Kulturdenkmals „in stärkerem Maße hinzunehmen sind“. Er begründet dies mir Gewöhnungseffekten und einer positiven Grundeinstellung zur Nutzung regenerativer Energien. Das Gericht fordert in jedem Einzelfall eine sorgfältige Abwägung, die dem Denkmalschutz nicht automatisch Vorrang gegenüber dem Klimaschutz gewährt. Die Grünen möchten nun auch im Hinblick auf die Innenstadtsanierung untersuchen lassen, ob die örtlichen Bauvorschriften noch mit dieser aktuellen Rechtssprechung harmonieren.

Dem Ortsverband war klar, dass er hier ein sensibles Thema berührt und erstickte im Keim den möglichen Vorwurf, Rottweils reizvolle Dächerlandschaft nun hemmungslos mit Solaranlagen zupflastern zu wollen. Ein entsprechender Nachfrage-Run ist ohnehin unwahrscheinlich. Sollte eine Lockerung bisheriger Vorschriften geboten sein, so gilt strikte Einzelfallbetrachtung. Eine Alternative Klimaschutz oder Denkmalschutz ist falsch. Das Kunststück ist dann, beides respektvoll zu verbinden: Sind die solche Anlagen vom öffentliche Raum einsehbar? Sind sie farblich, technisch und architektonisch gut integriert? Sucker informierte, dass der Arbeitskreis Klimaschutz der Lokalen Agenda Verständnis für eine rechtliche Überprüfung gezeigt hatte.

 

 

Infos zur Meinungsbildung:

 

- Die örtlichen Bauvorschriften: https://www.gruene-rottweil-zimmern.de/fileadmin/rt-zimmern/dateien/Oertliche_Bauvorschriften.pdf

- Urteil des 1. Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg: http://vghmannheim.de/pb/,Lde/1213792/?LISTPAGE=1213620

 

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