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Stadtbegrünung der besonderen Art: Rottweiler Bücherregal eingeweiht

Vom Potsdamer Großfriedhof für ausgediente Telefonzellen wiederbelebt zurück in die Rottweiler Alltagskultur. Diesen abenteuerlichen Weg hat das öffentliche Rottweiler Bücherregal hinter sich, das mitten im Wochenmarktgewusel eingeweiht wurde. Viele Interessierte standen erwartungsvoll da. In der Hand Tüten mit Büchern. Sie hatten sichtlich Spaß am heiteren, besonnten Programm dieses kleinen Einweihungsevents.

In bester Einweihungslaune: Landtgskandidatin Sonja Rajsp (rechts) und Vorstandsmitglied Gabriele Schneider auf dem Sitzkissen


Frank Sucker, Sprecher der Rottweiler Grünen, skizzierte einleitend dieses Projekt, das vor über einem Jahr startete. Und er dankte Gemeinderat und Stadtverwaltung für ihren Beitrag. Aber auch den vielen anderen, die ehrenamtlich als Transporteure, Handwerker oder Sponsoren aktiv waren. Bis zum Einbruch der letzten Nacht noch, als die grüne Telefonzelle unter Gelblichtgeflacker durch Rottweils Gassen seinem jetzigen Platz entgegen tuckerte. Schmunzelnd sprach Sucker von einer „Stadtbegrünung der besonderen Art“.

 

Kulturamtsleiter sang quasi ein Loblied auf Bücher, die uns Welten eröffnen. Ihn berührte aber auch das „schreckliche Schicksal“ alter Bücher, wenn sie zu Wegwerfartikeln verkommen. Dagegen helfe das öffentliche Bücherregal als kostenlose Tauschbörse. Schaffert fand, diese umgebaute Telefonzelle passt gut zum Telekomgebäude. Und er war guten Mutes: „Denn wo sonst könnte eine solche Idee funktionieren, wenn nicht im lesehungrigen Rottweil.“ Marco Schaffert beließ es nicht bei Worten und schritt zur Tat. Er hatte ein Buch mitgebracht und entließ es mit diesen Worten auf seine weitere Reise: „Das zur Seite gelegte, alte Buch kann wieder lebendig werden und ist anderen von Nutzen.“

 

Für die Initiatoren dieses Projekts sprach Sonja Rajsp, Kreisgeschäftsführerin und Landtagskandidatin der Grünen. Sie ist umtriebig als Selbständige, als Mutter und in der Betreuung von Flüchtlingen. Dieser Erfahrungsschatz ließ sie ein buntes Bücherpaket servieren: Kinderbücher, Spannendes, etwas zum Kochen. Aber auch Hochliteratur von Walser und Tellkamp. Und sie hatte auch einen kinderfreundlichen Tipp auf Lager: „ Ich wünsche mir zum Schmökern Sitzsäcke wie in Schiltach auf dem Marktplatz.“ Am liebsten hätte Rajsp temperamentvoll wie bei einer Schiffstaufe eine Champagnerflasche gegen die Telefonzelle knallen lassen. Das frische Grün der Zelle bremste sie.

 

Dafür knallten anschließend die bizarr-skurrilen Sprach- und Gedankenwitze des Kabarettisten Thomas C. Breuer. Das einstige Telefonhäuschen ließ ihn übers Artensterben überhaupt sinnieren: von der Kassette, übers Testbild, das Tonbandgerät bis hin - eben zur vom Handy verdrängten Telefonzelle. Auch den Grünen kreidete er ironisch an, dass ausgerechnet sie sich in den kommenden Monaten damit beschäftigen „die Wiederansiedlung des Wolfs in Baden-Württemberg zu verhindern.“ Doch ob das Buch verschwindet, das haben wir selbst in der Hand. Breuers facettenreicher Ausflug in die Welt der Bücher, von Sparbüchern bis zum Schöngeistigen, gipfelte im Motto: „ Legal, illegal, Bücherregal!“ Er wünschte sich auch in den Teilorten weitere Regale, denn: „Zelle und Zellulose, hier findet zusammen, was zusammengehört.“

 

 

Schließlich dieser Auftritt: Eine Tippelschwester (Gabriele Schneider) kam daher - mühsam Bücher in einem Leiterwagen ankarrend. Diese drückte sie Umstehenden in die Hand. Und rasch bildete vor dem neuen Rottweiler Bücherregal eine Schlange, die allmählich die noch leeren Regalböden füllte.

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