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Markus Klemt (ver.di) wünscht sich am Grünen Stammtisch mehr Sensibilität bei Privatisierungen öffentlicher Dienste

Erste Begegnung der Rottweil-Zimmerner Grünen mit einem Gewerkschaftsvertreter

Winfried Pralowski (rechts) überreicht Markus Klemt als Dank regionale Produkte


Die brisanten Freihandelsabkommen, die derzeit verhandelt werden, sind ein wahrer Buchstaben-Dschungel: TTIP, CETA - und nun auch noch TiSA. TiSA, das Abkommen über Dienstleistungen, ist bislang leider noch fast unbekannt. Wir Rottweil-Zimmerner Grünen registrierten diesen Aufklärungsbedarf und luden deshalb den Gewerkschaftssekretär Markus Klemt (ver.di) zum Grünen Stammtisch ein. Ein Novum übrigens, diese Begegnung von Rottweiler Grünen und Gewerkschaft. Sie endete sehr freundschaftlich, zugleich wuchs in allen der Frust über die verdächtige Geheimniskrämerei um TiSA.

 

Markus Klemt verblüffte die Stammtischrunde gleich mit seinem ersten Satz: „Ich bin schon in fünf Minuten fertig, denn es ist so wenig über TiSA bekannt.“ Dabei haben die Regelungen, die rund 23 Staaten aushecken, allergrößte wirtschaftliche Bedeutung. Insbesondere für die Zukunft öffentlicher Dienstleistungen, also auch für Kommunen wie Rottweil: für Bildungsangebote, Gesundheitswesen, Strom- und Wasserversorgung oder öffentlichen Personennahverkehr. Der Verhandlungsort Genf ist bekannt, doch die Verhandlungen selbst verlaufen höchst intransparent. Man weiß auch, dass Lobbyisten fordernd mit am Verhandlungstisch sitzen - doch Vertreter öffentlicher und zivilgesellschaftlicher Interessen davon ausgeschlossen sind.

 

Doch das, was bisher durchgesickert ist, bringt Markus Klemt schier auf die Palme. Da ist zum einen eine Klausel, die die Existenz privater Dienstleistungen zementiert. Seien deren Missstände noch so himmelschreiend, sie dürfen nicht korrigiert werden, indem Kommunen rettend einspringen. Und eine andere Klausel schließt eine Rekommunalisierung bereits privatisierter Dienstleistungen aus. Damit würden die Absichten vieler Kommunen, die nach bitteren Enttäuschungen etwa die Energieversorgung wieder unter die eigenen Fittiche nehmen wollen, im Keim erstickt. All das läuft auf einen Sieg global operierender Dienstleistungskonzerne hinaus. Winfried Praglowski (Zimmern) untermauerte das, indem er sich auf Träger katholischer Jugend- und Bildungsarbeit bezog, die eindringlich vor diesem Kurs warnen. Menschliche und kulturelle Werte dürfen nicht derart unter die Räder wirtschaftlicher Interessen geraten.

 

Der Gewerkschaftler Klemt brachte sein Herzensanliegen so auf den Punkt: „Der Zweck dieses Abend liegt darin, mehr Sensibilität bei Privatisierungen zu wecken.“ Die Superreichen brauchen nach seinen Worten keinen starken Staat. Sie haben Privatflugzeuge, können sich problemlos Bildung, Sicherheit, Gesundheit kaufen. Doch für die Schwächeren sind erschwingliche öffentliche Dienstleistungen eine Grundvoraussetzung für ein würdevolles Leben. Klemts eindringlicher Appell: „Hände weg vom Privatisieren von Dienstleistungen, die der Daseinsvorsorge dienen!“ Bei Privatisierungen geht es vorrangig um Gewinnmaximierung zu Lasten der Interessen der Bürger.

 

 

Naheliegend, dass bei diesen Aussagen die grüne Stammtischrunde sich doch nicht nach fünf Minuten auf den Heimweg machte. Die Gedanken sprühten und viele persönliche Erfahrungen unterfütterten, wie sehr das fortschreitende Diktat der Ökonomie über viele Lebensbereiche Solidarität und Mitmenschlichkeit untergräbt. Unter dem wachsenden Druck, auch in der Arbeitswelt, leiden Psyche, Familienleben, aber auch die Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu betätigen. Andreas Rebmann, unser Vorstandsmitglied, wünschte sich als Lehrer, dass in den neuen Bildungsplänen die Werteerziehung nicht zu Gunsten der Ökonomie zusammen gestrichen wird. Beides ist nötig.

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