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Auf dem Weg zur Rad-Kulturstadt Rottweil?


Der 200. Geburtstag des Fahrrads - und in den Augen von Rottweils Grünen ist’s immer noch „verdammt jung“. Zum Jubiläum luden sie daher breit zum Grünen Stammtisch „Rad-Kulturstadt Rottweil?“ ein. Viele kamen: Ungebundene, Vertreter der Lokalen Agenda, des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Forum für Rottweil ließ eigens seine Sitzung sausen. Andere politische Gruppierungen wurden vermisst. Denn allen wurde klar: Radfahren erfolgreich zu fördern, braucht Rückhalt in der ganzen Stadt - auch bei Handel, Gewerbe, öffentlichen Einrichtungen.

Stadträte Ingeborg Gekle-Maier und Jochen Baumann am Grünen Stammtisch


Einführend meinte Frank Sucker, beim Denken an „Verkehr“ dominieren immer noch die alten Reflexe: Auto, Parkplätze. Das Fahrrad wird zu wenig als gleichberechtigtes Verkehrsmittel geschätzt. Es geht nicht um die schroffe Alternative Auto oder Rad - viele nutzen ja beides. Doch mehr Rad würde einer Stadt wie Rottweil gut tun, da es das historische Stadtbild vor Lärm, Stau und Schadstoffen schont. Außerdem ist es flink, gesund, spart Platz. Und es macht nicht nur Spaß, sondern die Kulturstadt Rottweil noch klüger, wie einer schmunzelnd anmerkte. Beweis gefällig? Seine Relativitätstheorie fiel Einstein beim Radfahren ein. Gottfried Gestrich-Gärtner wies darauf hin, dass die Rottweiler Topographie dank E-Bikes immer weniger schweißtreibend ist.

Die Runde gab sich keinen Illusionen hin, hier einen Radanteil von 50 Prozent wie in Kopenhagen anzupeilen. Die Dänen hatten dafür 40 Jahre Zeit. Ingeborg Gekle-Maier schätzte in Rottweil den Anteil unter 10 Prozent und spekulierte: „Da ist noch Potenzial drin.“

Worauf kommt’s an? Radverkehr braucht dringend mehr Platz im Straßenraum. Er ist doch keine Mutprobe! So mahnte Michael Leibrecht: „Vor allem Kinder benötigen Sicherheit.“ Außerdem boomt der Radmarkt, Radeln ist Lifestyle. Man sieht auch mehr Fahrradanhänger und Lasträder. Auch das drängt zum Ausbau der Infrastruktur. Dazu gehört eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit. Sucker pragmatisch: „Menschen lassen das Auto nur dann stehen, wenn sie Vorteile erleben.“ Kann der Handel Anreize zum Einkaufen mit dem Rad austüfteln? Ingeborg Gekle-Maier gab frische Erkenntnisse aus einer Fachtagung weiter: Positiv wirkt sich aus, wenn eine Stadt sich zur fahrradfreundlichen Kommune erklärt und auch gezielt Geld in die Hand nimmt. „Die Chancen stehen derzeit nicht schlecht, das Radfahren im Alltag selbstverständlicher zu machen,“ meinte sie. Rottweil sucht ja nach Rezepten, den Autoverkehr in der Innenstadt zu reduzieren.

Das Rottweiler Radnetz stieß in der Runde auf teils deftige Kritik - etwa der Zustand des Neckartal-Radwegs. Doch es sprudelten auch konstruktive Ideen. Etwa eine E-Bike-Verleih-Station am Bahnhof, die zur Anreise per Zug lockt, um danach touristische Highlights wie Aquasol, historische Innenstadt und Testturm sportiv zu erradeln. Für Ende April ist ein Radlerfrühling geplant mit einem Open-Air-Reparatur-Café für Radchecks - eventuell verbunden mit einem Radlermarkt. Auch das Agenda-Kino ist mit einem Filmabend mit von der Partie. Und vielleicht klappt auch in der ErneuerBar eine packende Diskussionsrunde zur Radmobilität. Und wie wär’s 2018 mit einem autofreien Sonntag, an dem man die bunten Spielarten anderer Mobilität genießen kann?

 

Eine weitere Gruppe untersucht auf der Basis der Radverkehrsplanung von 2003 das innerstädtische Radnetz und fotografiert Schwachstellen, die Unsicherheit auslösen. Dabei beachtet sie, dass manches seit 2003 überholt ist - etwa dank des E-Bike-Booms. Die Ergebnisse werden später der Verwaltung präsentiert. Und Gemeinderäte möchte man zum Mitradeln und Inspizieren einladen.

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