video_label

Matthias Gastel (MdB): Höchste Eisenbahn - von der Energiewende nun zur Verkehrswende!


„Verkehrspolitik“ - wer denkt da nicht reflexartig an Autos? Anders jedoch Matthias Gastel, der bahnpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion: Er präsentierte am vergangenen Grünen Stammtisch Verkehr als ein verzwicktes Netzwerk aller Verkehrsmittel. Von Fußgängern, Bahn, Bus, Fahrrad, Auto und - visionär - selbst Seilbahn. Greift man regelnd an einer Stelle ein, so wirkt sich das auf ganze Netz aus.

Matthias Gastel (MdB) umrahmt von Städträtin Ingeborg Gekle-Maier (links) und grüner Kreissprecherin Sonja Rajsp


Als Spinne dieses Verkehrsnetzes sah Gastel Bundesminister Dobrindt am Werk. Sein eben verabschiedeter Bundesverkehrswegeplan stellt die Weichen bis 2030. Aus grüner Warte kam es darauf an, nach der Energiewende nun auch die Mobilitätswende einzuleiten, die alle, unabhängig von Geldbeutel und Handicap, an Mobilität teilhaben lässt. Zu Planungsbeginn war Gastel noch optimistisch. Doch je länger es dauerte, desto mehr verwässerten sich die Umwelt- und Klimaschutzziele. Der Referent bedauerte: „Die Lobby-Interessen nahmen immer mehr überhand gegenüber der Fachlichkeit.“ Oft belegten Landräte und Bürgermeister nicht ihren angemeldeten Straßenbedarf. Und auffallend war, wie üppig die bayerische Heimat des Verkehrsministers mit Straßenbauprojekten bedacht wurde.

Viele fürs Netz wichtige Schienenprojekte blieben so leider auf der Strecke. Im Unterschied zur Schweiz ist man in Deutschland noch viel zu wenig stolz auf die Bahn. Tröstlich war da, dass es dank überparteilichen Drucks in der Schlussphase immerhin noch gelang, „die drohende Verschlechterung der Gäubahn“ abzuwenden. Gerade für die ehrgeizige Tourismusstadt Rottweil ist diese optimierte Strecke wichtig. „Doch Vorsicht“, mahnte Gastel, „nun kommt’s auf die Taten an.“ Immerhin stecke die Bahn finanziell schwer in der Krise, da sei man vor Überraschungen nicht sicher.

Gastel zeigte, dass sein Herz nicht nur für Schienen, sondern auch fürs Rad schlägt. Er wollte sich bewusst nicht in die Rottweiler Verkehrsprobleme einmischen - doch einige Fingerzeige gab er schon. Das Radfahren erlebt zwar einen erfreulichen Aufschwung, doch in den Kommunen schlummert ein enormes Verlagerungspotenzial vom Auto zum Rad. Die Hälfte aller PKW-Fahrten sind Kurzstrecken unter 5 Kilometer - eigentlich ideal fürs flinke, gesunde Radeln ohne stressige Parkplatzsuche. Doch A und O sind sichere Radwege. Gerade für Kinder und ältere Menschen.

So gibt’s viel zu tun beim Markieren von Radwegen. Auch mehr Diensträder von Behörden und Firmen machen Radfahren präsenter im Stadtbild. Lastenräder und Pedelecs sind ebenfalls im Kommen. In der Diskussion war zu hören, dass bei der Mitnahme von Rädern in Bussen und Bahnen noch Luft nach oben ist. Ingeborg Gekle Maier sprach den Referenten auf eine etwaige Mitgliedschaft Rottweils in der „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg“ an. Gastel riet dringend zu: „Dort gibt es eine Fülle nützlicher Best-Practice-Beispiele.“ Und als Frank Sucker das 200-jährige Jubiläum des Fahrrads antippte, begann der eher sachliche Experte zu strahlen: „Dieses Ereignis 2017 eignet sich vorzüglich für Werbeaktionen.“ Rückenwind geben auch Umfragen, wonach 80% sich von der Kommunalpolitik mehr Einsatz für den Radverkehr wünschen.

Als nach fast zwei Stunden Gastel wieder zum Zug hasten musste, urteilte ein Besucher: „Schade, diese Veranstaltung war aufschlussreich - aber zu kurz.“

expand_less